Seit dem 1. Januar 2017 ist nun das neue Recht des Vorsorgeausgleichs in Kraft. Wer unter bisherigem Recht bei der Scheidung eine Rente im Sinne einer angemessenen Entschädigung erhalten hat, kann bis zum 31. Dezember 2017 beim Gericht einen Antrag zur Umwandlung der bestehenden Rente in eine lebenslange Rente einreichen (Artikel 7e Schlusstitel ZGB). Dazu sind gemäss dem Wortlaut der neuen Bestimmung eine Reihe von Kriterien zu erfüllen. In den Erläuterungen in der Botschaft sind weitere Kriterien aufgeführt (BBl 2013 4887, S. 4923). Die Botschaft hat bei dieser Revision besonders grosses Gewicht, da das Parlament den Entwurf des Bundesrates nur sehr marginal geändert hat.
Zur praktischen Umsetzung muss also eine Eingabe an das Gericht gemacht werden. Dabei stellen sich eine Reihe von Fragen. Ich habe insofern nun etwas Erfahrung, als meine Mutter vor dem konkreten Problem stand. Ihr Antrag zur Umwandlung wurde vor Kurzem abgeschickt (am 13. Januar 2017).
In Zusammenarbeit mit einer beauftragten Rechtsanwältin sind wir zur Überzeugung gelangt, dass es sich bei der Eingabe an das Gericht im Wesentlichen um einen Antrag zur Änderung eines bestehenden Scheidungsurteils handelt. Die Zivilprozessordnung (ZPO) sieht für die Änderung von Scheidungsurteilen im Grundsatz die Klage vor (Artikel 284 Absatz 3 ZPO). Analog zu einvernehmlichen Scheidungen wäre auch ein Vorgehen möglich, bei dem die beiden Ex-Ehegatten ein gemeinsames Gesuch zur Änderung des bestehenden Scheidungsurteils einreichen (im Sinne von Artikel 280 ZPO).
Bei der Klage zur Änderung des bestehenden Scheidungsurteils geht es darum, dass die zivilrechtliche Rente, die der Ex-Ehegatte bezahlt, in eine Rente umgewandelt wird, die neu von der Vorsorgeeinrichtung des Ex-Ehegatten bezahlt wird. Die neue Rente unterliegt dem Recht der beruflichen Vorsorge. Sie hat den grossen Vorteil, dass sie unabhängig vom Tod des Ex-Ehegatten ist. Zudem ist die Vorsorgeeinrichtung der bessere Schuldner, als der Ex-Ehegatte. Was nicht unbedingt etwas mit dem Zahlungswillen des Ex-Ehegatten zu tun hat, sondern mit dessen Zahlungsfähigkeit.
Das Verfahren zur Umwandlung gleicht also demjenigen bei der Scheidungsklage. Bei der Umwandlung geht es allerdings bloss um eine Abänderung des Vorsorgeausgleichs, d.h. die Scheidung wird nicht grundsätzlich neu aufgerollt. Die Rente nach bisherigem Recht gilt als zugesprochener Rentenanteil (Artikel 7e Absatz 3 Schlusstitel ZGB). Im Verfahren sind nur die beiden Ex-Ehegatten Partei. Die indirekt betroffene Vorsorgeeinrichtung ist nicht Partei. Sie ist aber vom Gericht von Amtes wegen insofern einzubeziehen, als dass sie vor dem Erlass des Entscheids über die Umwandlung vom Gericht zur Durchführbarkeit der Teilung der Rente und allenfalls deren Auszahlung an den ausgleichsberechtigten Ex-Ehegatten konsultiert werden muss (Durchführbarkeitserklärung nach Artikel 281 Absatz 1 ZPO). Fehlt die Durchführbarkeitserklärung, riskiert man, dass der Entscheid über die Umwandlung gegenüber der Vorsorgeeinrichtung anschliessend eventuell nicht durchsetzbar wäre. Dies kann vermieden werden, indem vorteilhafterweise bereits in der Klage die Einholung der Bestätigung bei der Vorsorgeeinrichtung beantragt wird. Verweigert die Vorsorgeeinrichtung die Durchführbarkeitserklärung, muss das Gericht die Sache an das zuständige Versicherungsgericht überweisen. Dort ist die Vorsorgeeinrichtung dann Partei im Verfahren (Artikel 25a Absatz 2 FZG) .
In nicht streitigen Verfahren kann der ausgleichspflichtige Ex-Ehegatte diese Bestätigung natürlich selber bei seiner Vorsorgeeinrichtung verlangen. In streitigen Verfahren kann der ausgleichsberechtigte Ex-Ehegatte diese Bestätigung nicht selber bei der Vorsorgeeinrichtung des anderen Ex-Ehegatten einholen, da diese nur gegenüber dem Gericht oder seinem Versicherten zur Auskunft verpflichtet ist (Artikel 24 Absatz 3 FZG).
Bei der Umwandlung der bestehenden Rente ist es Aufgabe des Gerichts, die Voraussetzungen für die Umwandlung zu prüfen und den zugesprochenen Rentenanteil festzustellen (Artikel 7e Absatz 3 Schlusstitel ZGB). Die Vorsorgeeinrichtung des ausgleichsverpflichteten Ex-Ehegatten muss diesen Rentenanteil dann in eine lebenslange Rente für den ausgleichsberechtigten Ex-Ehegatten versicherungstechnisch umrechnen (Artikel 124a Absatz 2 ZGB in Verbindung mit Artikel 19h FZV). Meines Erachtens ist es empfehlenswert, zu beantragen, dass die Umrechnung nach Rechtskraft des Erlasses über die Umwandlung durchgeführt wird. Massgebender Zeitpunkt für die Umrechnung ist nämlich das Datum der Rechtskraft des Entscheides (Botschaft S. 4924, Artikel 19h Absatz 2 FZV). So sind die massgebenden Verhältnisse, wie das genaue Alter der beiden Ex-Ehegatten (im Zeitpunkt der Umwandlung), sowie die zum Zeitpunkt der Rechtskraft geltenden technischen Grundlagen der Verordnung, bekannt.
Die Umrechnung ist für alle Vorsorgeeinrichtungen gleich. Das Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) stellt für die versicherungstechnische Umrechnung auf dem Internet gratis ein Umrechnungstool zur Verfügung (www.bsv.admin.ch/fzv19h-umrechnung). Damit kann direkt aus der Höhe des zugesprochenen Rentenanteils die Höhe der umgerechneten lebenslangen Rente ermittelt werden. Dieses Tool benützen auch die Vorsorgeeinrichtungen.
Der Beklagte wird übrigens vom Gericht mit einem Exemplar der Klage (inklusive Beilagen) bedient, sobald der Kostenvorschuss (von der Klägerin zu bezahlen) beim Gericht eingegangen ist. Es ist weder vorgeschrieben noch üblich, die Gegenpartei bei Einreichung der Klage mit einer Orientierungskopie zu bedienen. Im Fall meiner Mutter belief sich der vom Gericht festgelegte Kostenvorschuss auf Fr. 2’500.
(zuletzt geändert am 9.10.2017)
Nachtrag 6.6.2017: Gemäss den Erwägungen des Gerichts im begründeten Entscheid über die Klage meiner Mutter, ist für die Abänderung eines Scheidungsurteils gestützt auf Artikel 284 Absatz 3 ZPO in Verbindung mit Artikel 23 Absatz 1 ZPO das Gericht am Wohnsitz einer Partei zwingend zuständig. Die in der Botschaft vertretene Auffassung, wonach das Gesuch aus Praktikabilitätsgründen beim Gericht einzureichen sei, welches das Scheidungsurteil ausgesprochen hat (BBl 2013 4887, S. 4924), ist offenbar nicht zutreffend.
Nachtrag 16.11.2017: Gesuchstellerinnen, welche das Mindestalter für die Auszahlung der lebenslangen Rente erreicht haben (gemäss geltendem Recht: 58 Jahre) und sich diese auszahlen lassen wollen, müssen im Gesuch die Auszahlung der Rente explizit beantragen (Artikel 22e Absatz 1 FZG), andernfalls wird die lebenslange Rente auf ein Freizügigkeitskonto oder – falls vorhanden – in die eigene Pensionskasse übertragen (Artikel 22c FZG). Hat die Gesuchstellerin das ordentliche Rentenalter erreicht (gegenwärtig: vollendetes 64. Altersjahr bei Frauen), so wird ihr die lebenslange Rente auch dann ausbezahlt, wenn dazu kein Antrag gestellt wurde (Artikel 22e Absatz 2 FZG).